Wurzelbehandlung und Fieber
Eine Wurzelbehandlung (endodontische Therapie) ist eine bewährte zahnmedizinische Maßnahme, mit der entzündetes oder abgestorbenes Gewebe aus dem Wurzelkanalsystem eines Zahnes entfernt wird, um den Zahn langfristig zu erhalten. Trotz moderner Technik und sorgfältiger Durchführung kann es in manchen Fällen zu Komplikationen kommen, die sich unter anderem durch Fieber äußern. Dieses Symptom stellt eine wichtige Warnung dar und erfordert eine differenzierte Betrachtung.
Anatomische und pathophysiologische Grundlagen
Der Zahnnerv (Pulpa) liegt im Inneren des Zahns in einem engen System von Wurzelkanälen. Kommt es durch Karies, Traumata oder andere Ursachen zu einer bakteriellen Infektion, entzündet sich das Gewebe zunächst im Zahnnerv (Pulpitis). Unbehandelt stirbt die Pulpa ab (Nekrose) und Bakterien können in den Bereich der Wurzelspitze und das umliegende Parodontalgewebe eindringen. Dort kann sich eine apikale Parodontitis ausbilden, oft begleitet von einer Immunreaktion des Körpers.
Im Falle einer besonders aggressiven oder ausgedehnten Infektion bildet sich ein Abszess – eine Eiteransammlung, die neben lokalen Schmerzen und Schwellungen auch systemische Symptome wie Fieber auslösen kann.
Ursachen für Fieber im Zusammenhang mit der Wurzelbehandlung
Fieber vor der Behandlung
Fieber vor Beginn der Wurzelbehandlung weist auf eine systemische Beteiligung der Infektion hin. Die Bakterien im Wurzelkanal oder angrenzendem Gewebe aktivieren das Immunsystem. Das Fieber ist Teil der Abwehrreaktion und ein Hinweis auf die Schwere der Entzündung. Häufig ist das Fieber begleitet von:
- Lokalen Schwellungen (z. B. Gesicht, Kieferwinkel)
- Schmerzsymptomen, die pulsierend und nachts stärker werden
- Allgemeinem Krankheitsgefühl, Abgeschlagenheit und in manchen Fällen Schüttelfrost
In dieser Situation ist eine zeitnahe Wurzelbehandlung mit zusätzlicher antibiotischer Therapie indiziert, um die Infektion einzudämmen.
Fieber nach der Behandlung
In seltenen Fällen tritt Fieber erst nach der Wurzelbehandlung auf. Mögliche Ursachen sind:
- Akute immunologische Reaktion: Bei der Behandlung werden Bakterien, deren Stoffwechselprodukte und abgestorbene Gewebeanteile freigesetzt. Diese können zu einer kurzfristigen, immunologisch bedingten Reaktion führen, die Fieber auslöst. Normalerweise ist diese Reaktion mild und vorübergehend.
- Persistierende oder verschlimmerte Infektion: Wenn das Wurzelkanalsystem nicht vollständig gesäubert wurde, verbleiben Bakterien und es kann zu einer weiteren Ausbreitung der Infektion kommen, begleitet von steigenden Temperaturen und Symptomen.
- Abszessbildung: Eine eitrige Einschmelzung im Weichgewebe, im Knochen oder im Bereich der Wurzelspitze kann Fieber auslösen und erfordert häufig eine chirurgische Intervention.
- Medikamentenreaktionen oder andere Komplikationen: In seltenen Fällen kann eine allergische Reaktion auf verwendete Materialien, Antibiotika oder Schmerzmittel Fieber hervorrufen.
Diagnostik
Die Diagnose erfolgt durch:
- Anamnese: Erfassung von Beschwerden wie Schmerzen, Schwellung, Fieber und Allgemeinzustand
- Klinische Untersuchung: Untersuchung auf Schwellungen, Druckschmerzhaftigkeit, Fistelgänge, Mundöffnung, Lymphknotenschwellungen
- Bildgebung: Röntgenaufnahmen (periapikal oder digitale Volumentomografie) zur Beurteilung von Wurzelkanälen, Periapikalerkrankungen, Knochenbeteiligung und Abszess
- Vitalitätstest: Überprüfung des Zahnnervs (Kälte, Elektrischer Test) – vor der Behandlung entscheidend
- Laboruntersuchungen: Selten notwendig, aber z. B. bei starken systemischen Symptomen zur allgemeinen Infektionsdiagnostik
Therapeutisches Vorgehen
Die Therapie richtet sich nach Ausmaß und Schwere der Entzündung sowie dem Allgemeinzustand des Patienten.
Wurzelbehandlung
- Mechanische und chemische Reinigung: Sorgfältige Aufbereitung der Wurzelkanäle mit speziellen Feilen und Spüllösungen (z. B. Natriumhypochlorit), um Bakterien und Gewebereste zu entfernen
- Medikamentöse Einlage: Zwischen den Behandlungssitzungen kann ein antibakterielles Medikament (z. B. Calciumhydroxid) eingesetzt werden, um die Keimzahl weiter zu reduzieren
- Obturation (Füllung): Nach vollständiger Reinigung werden die Kanäle dicht verschlossen, meist mit Guttapercha und Dichtmaterialien
- Mehrphasige Behandlung: Insbesondere bei eitrigen oder chronischen Entzündungen werden mehrere Sitzungen notwendig
Antibiotikatherapie
- Indiziert bei systemischen Symptomen wie Fieber, ausgeprägter Schwellung oder bei Risikopatienten
- Wahl des Antibiotikums erfolgt nach aktuellen Leitlinien, z. B. Amoxicillin oder Clindamycin bei Allergien
- Die Dauer beträgt meist 5–7 Tage, abhängig vom klinischen Verlauf
Schmerz- und Entzündungsmanagement
- Einsatz von nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR) wie Ibuprofen zur Linderung von Schmerzen und Entzündung
- In Einzelfällen ergänzend orales Kortison bei ausgeprägten Schwellungen
Verlauf und Prognose
Bei frühzeitiger und korrekter Behandlung ist die Prognose einer Wurzelbehandlung gut. Das Fieber und die Entzündung klingen meist innerhalb weniger Tage ab. Eine sorgfältige Nachkontrolle ist wichtig, um die Heilung zu überwachen und mögliche Rezidive frühzeitig zu erkennen.
Unbehandelt oder bei verzögerter Therapie können sich die Entzündung und das Fieber verschlimmern, bis hin zu schweren Komplikationen wie der Ausbreitung der Infektion in benachbarte Gewebe oder septischen Zuständen.
Prävention und Patientenschulung
- Früherkennung und Behandlung von Karies und Zahntraumata
- Regelmäßige zahnärztliche Kontrolluntersuchungen
- Gründliche Mundhygiene zur Reduzierung bakterieller Belastung
- Bewusstsein für Symptome wie Schmerzen, Schwellungen und Fieber, die sofortige Abklärung erfordern
Zusammenfassung: Fieber nach der Wurzelbahandlung
Fieber im Zusammenhang mit einer Wurzelbehandlung ist ein wichtiges klinisches Zeichen einer bakteriellen Entzündung mit möglicher systemischer Beteiligung. Die genaue Diagnostik und eine adäquate Therapie, bestehend aus gründlicher endodontischer Behandlung, gegebenenfalls Antibiotikagabe und Schmerzmanagement, sind entscheidend für den Behandlungserfolg.
Als Patient sollten Sie bei Auftreten von Fieber, anhaltenden Schmerzen oder Schwellungen nach einer Wurzelbehandlung unverzüglich eine zahnärztliche Abklärung durchführen lassen, um Komplikationen zu vermeiden.

Dr. med. dent. Claus Westerberg
Fachzahnarzt für Oralchirurgie,
Master of Oral Medicine in Implantology
Tel.: 05451/2557
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